Sonnabend nach Ostern, 7. April 2018, endlich wärmende Sonne. Auf Erwin Strittmatters Laden-Hof in Bohsdorf ist der Frühling angekommen.
Blaustern leuchtet überall im Gras, das langsam der Farbe Grün Ehre macht. Zuhörer trudeln ein. Zu viele, möchte man meinen, an diesem ersten Sonnentag, nach langer Zeit des grau in grau. Strittmatters Scheune füllt sich, platzt vor Publikum aus den Nähten. Wunderbar für die Menschen, die diesen Nachmittag vorbereitet haben, immer hoffend, dass überhaupt jemand kommt, bei diesem Kaiserwetter. Kaffeeduft liegt in der Luft, verführerisch locken Süßigkeiten, Kalter Hund, Hüftgold. Strittmatter hatte gerufen, und seine Bewahrer versammelten sich, ihm zur Ehre zu einem Fest. Es war einfach nur schön, das zu sehen. Matthias Stark hatte sich vorbereitet, die verschworene Gemeinde noch fester zusammen zu schweißen mit einem Vortrag. Matthias Stark ist so ein Strittmatter-Fanatiker, wie ich ihn liebe, ein Komplize von mir und von vielen, noch vielen. Er hatte sich vorgenommen, vier literarische Komplizen von Erwin Strittmatter zu beleuchten: Laotse, Hermann Hesse, Ralph Waldo Emerson und Halldór Laxness. Matthias Stark war ausgezeichnet präpariert: vorgetragener Text, Filmmaterial, Dokumente, Erläuterungen, eigene Gedanken und exzellent gewählte Sichtangebote. Eine Pause nach den ersten zwei Giganten des Wortes und des Denkens gab den Zuhörern die Möglichkeit, abzuhauen. Alle blieben und lauschten konzentriert den Ausführungen über die Literaten. Herzlicher Applaus belohnte Matthias Stark, der ihn ehrlich verdient hatte. Dieser Nachmittag war eine geistreiche Herausforderung, war geprägt von wichtigen Erkenntnissen für die Zuhörer. Es war ein, wenngleich anstrengender, überzeugender Beweis für die Seelenverwandtschaften unseres Erwin Strittmatters mit anderen Großen des Wortes, mit ganz herausragenden Persönlichkeiten der Zeitgeschichte. Danke, Matthias Stark.
schufen Schüler der 9. Klasse des Erwin-Strittmatter-Gymnasiums Spremberg unter Leitung Ingrid Michels KALTNADELRADIERUNGEN zum Schulzenhofer Kramkalender.
Während der Projektwoche 2017 schufen Schüler der 9. Klasse des Erwin-Strittmatter-Gymnasiums Spremberg unter Leitung Ingrid Michels KALTNADELRADIERUNGEN zum Schulzenhofer Kramkalender.
Das „Atelier Stark“ hatte am 16. März zum dritten Stolpener LesePodium geladen und trotz des Wintereinbruchs in der Burgstadt waren fast fünfzig Besucher gekommen.
Mitglieder des „Erwin-Strittmatter-Vereins“ brachten ihr Leseprogramm „Szenen einer Ehe“ zur Aufführung. Dabei lasen Renate und Hans-Joachim Brucke, Heidemarlen Polzin, Anett Igel-Allzeit sowie Peter Stempien aus Büchern, Tagebuchaufzeichnungen, Interviews und Briefen der beiden Literaten Eva und Erwin Strittmatter. Plastisch wurde das Auf und Ab der Künstlerehe deutlich. Es zeigte sich, dass das Leben der Strittmatters in Schulzenhof weit weniger romantisch war, als es sich viele Leser bisher vorgestellt hatten. Vieles war den Besuchern der Veranstaltung unbekannt, sodass einige mit einem Aha-Erlebnis nach fast zwei Stunden nach Hause gingen. Als Zugabe wurden einige Gedichte von Eva und ein paar Gedanken aus Erwins „Selbstermunterungen“ vorgetragen. Das Fazit der Veranstaltung war, dass die zufriedenen Gäste sich mehr solche außergewöhnlichen Abende jenseits ausgetretener Pfade wünschen würden. Vielen Dank an das Team vom Burghotel Stolpen für die gastronomische Betreuung.
Und wieder lernten wir, die glauben schon vieles über Erwin Strittmatter zu wissen, Neues dazu.
In einem anschaulichen Vortrag erhielten unsere Mitglieder und Gäste in der öffentlichen Mitgliederversammlung am 27. Januar in „Unter Eechen“ durch Dr. Franka Köpp von der Akademie der Künste Berlin nicht nur Einblick in ihre aufwändige Recherche, sondern erfuhren auch unbekannte Details. Wie Strittmatter zum Beispiel seine Vorarbeiten beschriftete, sortierte und ablegte, sauber mit teilweise gebrauchtem Packpapier und Bindfaden einwickelte, überraschte alle. Die präzisen Vermerke wurden selbst von Eva als eigensinnig erklärt.
Dass Erwin Strittmatter ein disziplinierter, fleißiger Arbeiter war, können wir in seinen Tagebüchern und Werken nachlesen:
„Wenn das alles in den Mappen zur Ruhe gebracht ist und mir nichts mehr aus den Schubladen des Schreibtisches entgegenquillt, so hats für mich das Aussehen eines geharkten Hofes.“
Wahre Geschichten aller Ard(t), S. 93, 29. Jan. 1968
Strittmatters waren Sammler und Aufbewahrer, das kam uns bereits durch Bruder Heinrich zugute – sonst gäbe es die in der Laden-Trilogie beschriebenen Exponate und Einrichtungsgegenstände nicht im Laden-Museum. Staunen konnten wir über die auf kleinen Zetteln und selbst auf alten Heftdeckeln geschriebenen frühen Gedichte Erwins. Auch die Zeichnung von der Stachelbeere seiner Mutter Lenchen, die Eingang in DER LADEN I fand, ruht im Archiv.
Die Vorarbeiten zum LADEN, datiert bereits 1971, wären wert, nochmals genauer zu lesen und zu verinnerlichen, ebenso die gesammelten Postkarten und Fotoalben (archiviert bereits von Jakob Strittmatter) zu betrachten. Und noch besser wäre es, sie interessierten Besuchern als Kopie zu präsentieren … Eingesehen können die Bestände aber nur nach vorheriger Anmeldung im Lesesaal der Akademie unter www.adk.de Unser Gast, Dr. Franka Köpp, befasst sich seit 2011, nachdem alle Kisten von Schulzenhof nach Berlin in die Akademie der Künste gebracht wurden, mit der wissenschaftlichen Archivierung des Nachlasses von Eva und Erwin Strittmatter. Neunzig Regalmeter umfasst das Erwin-und-Eva-Strittmatter-Archiv und die Recherche ist längst nicht abgeschlossen, sodass wir die Hoffnung zu einem weiteren Besuch der Germanistin in Bohsdorf ausgesprochen haben.
Eva und Erwin Strittmatter besaßen die Gabe, ganz alltägliches Geschehen in ihrem Werk zu poetisieren.
Sie sprachen dabei oft von „zu Poesie gekeltertem Leben“. Sowohl Erwin Strittmatters Prosa wie auch Eva Strittmatters Lyrik zeichnet die Verarbeitung von teilweise völlig unspektakulären Begebenheiten aus. Trotzdem ist es beiden Literaten gelungen, die Quintessenz, das Allgemeingültige in Worte zu bannen und nacherlebbar zu gestalten. Daraus ist bleibende Literatur entstanden, die noch viele Jahre nach ihrer Entstehung wirkmächtig die Leser in ihren Bann zu ziehen vermag.Der Erwin-Strittmatter-Verein ruft Literaturfreunde jeden Alters auf, es den beiden vielgelesenen Strittmatters gleichzutun und sich an einer Ausschreibung zum Thema
„Alltag im Wort“
zu beteiligen. Eingesandt werden können bisher unveröffentlichte Prosa- und Lyriktexte aus eigener Feder. Der Wettbewerb richtet sich auch und insbesondere an Schüler, die gern schreiben. Jedoch sind auch ältere oder „gestandene“ Autoren aufgerufen, sich mit eigenen Arbeiten zu beteiligen.Für Prosatexte gilt ein Umfang von maximal vier Normseiten, also nicht mehr als 7200 Zeichen mit Leerzeichen, Lyrik sollte 1500 Zeichen mit Leerzeichen nicht überschreiten. Die Texte müssen unveröffentlicht und selbst verfasst sein. Das Einreichen der Texte soll ausschließlich auf elektronischem Weg im Format DOC, DOCX oder RTF erfolgen, kein PDF!
Eine Jury, bestehend aus Mitgliedern des Strittmatter-Vereins, die selbst künstlerisch tätig sind, wird die Arbeiten bewerten. Die Texte der Preisträger sowie weitere gelungene Werke sollen in einer Anthologie veröffentlicht werden. Die beteiligten Autoren erhalten jeweils ein kostenloses Exemplar. Außerdem werden die Texte während einer öffentlichen Veranstaltung gelesen und für die Preisträger gibt es Büchergutscheine.
Einsendeschluss für die Arbeiten ist der 31. Dezember 2018. Bitte unbedingt bei der Einsendung den Namen und die komplette Anschrift mit angeben.
Einsendungen bitte ausschließlich per E-Mail an strittmattergeschichten@gmx.de
Einige Schülerrezensionen einer 10. Klasse (Deutschlehrerin Ingrid Michel) des Erwin-Strittmatter-Gymnasiums zu “Mücke am Blatt” von Peter Moschall.
Das Leben ist voller Widersprüche [Lucy Jeinsch, Klasse 10L]
„Glücklich bin ich, wenn ich die schönen Augenblicke meines Lebens erkenne, solange ich noch drinnen stecke.“ Das Zitat und viele weitere Weisheiten sind in dem Kurzfilm „Die Mücke am Blatt“ seit dem 10. August 2017 auf YouTube zu hören und zu sehen. Der Drehbuch-Autor Peter Moschall, ein ehemaliger ZDF-Kameramann und gebürtiger Spremberger, thematisiert in 25 Minuten einen Dialog zwischen einer Enkelin und ihrem Großvater über das Leben. In dem Film wirkt die Protagonistin, gespielt von Lara Kantor, bedrückt und verzweifelt. Sie hat Liebeskummer und zugleich Leistungsdruck in der Schule. Der Großvater versucht dem Mädchen in einem Gespräch deutlich zu machen, dass sie ihren ganz eigenen Weg finden und ausprobieren, ihre Neigungen erkennen und dabei der Gesellschaft nützen muss. Gesprochen wird der Großvater von Hellmuth Henneberg, der in dem Film aus den Werken des „Schulzenhofer Kramkalender“ und den „Selbstermunterungen“ von Erwin Strittmatter die Antworten auf die Fragen der Enkelin zitiert. Eine Besonderheit des Kurzfilmes ist, dass er erzählt, ohne im Bild zu erscheinen. Die Musik von Melanie Minuit ist zu den Emotionen passend gewählt, eher ruhig, nachdenklich und teilweise mit naturverbundenem Vogelzwitschern hinterlegt. Ein abruptes Ende der Musik am Anfang des Filmes erscheint mir ungewöhnlich. Der Film basiert auf der Darstellung verschiedenster Landschaften der Spremberger Umgebung, in der die Protagonistin nachdenklich spazieren geht. Die Szenenwechsel gefallen mir sehr gut. Auch auf verschiedene Details wird besonderer Wert gelegt. Beispielsweise vermehren sich die Tränen der Hauptdarstellerin nach jedem Kamerawechsel auf einem Blatt Papier. Nicht überzeugt hat mich der Regen, der offensichtlich mit einer Gießkanne erzeugt wird. Der Kern des Filmes wird beim ersten Ansehen deutlich. Um jedoch den Inhalt genau zu verstehen, wäre ein wiederholtes Anschauen empfehlenswert. Insgesamt hat mir der Film gut gefallen und mich nachdenklich gestimmt. Eine Weisheit, die ich dem Film entnehme ist, seine eigenen Ziele zu verfolgen, aber auch Freude und Spaß am Leben zu haben. „Sonst hätte ich nicht gelebt, sondern nur existiert.“ Trotz einiger Kritikpunkte lohnt es sich, den von Peter Moschall zum Nachdenken anregenden Kurzfilm anzusehen.
Solche Ratschläge sollte jeder gehört haben! [Hannes Engler, Klasse 10L]
„Wir kennen die Ursachen unseres Glücks, aber die unseres Unglücks nicht.“ Mit diesen weisen und zum Nachdenken anregenden Ratschlägen schafft es Strittmatter auch heute noch, Jugendliche zu berühren. Seine zeitlose Poesie hilft in dem 2017 veröffentlichten Kurzfilm „Die Mücke am Blatt“ von Peter Moschall einer Schülerin, den Weg aus ihren persönlichen Krisen und Zweifeln zu finden. Der nach einer Kurzgeschichte aus dem „Schulzenhofer Kramkalender“ betitelte Film ist ein fiktiver Dialog zwischen einem Großvater und seiner Enkelin. Die Jugendliche durchlebt eine schwere Zeit. Sie verliert ihren Freund an ihre beste Freundin und hat Stress mit ihren Eltern. Gekränkt durch ihre Verluste und schulischen Schwierigkeiten fällt sie in eine Melancholie und hinterfragt die Bedeutung ihres Daseins. Der Großvater ermuntert sie mit Strittmatters in Dichtkunst verpackten Lebenserfahrung und Naturverbundenheit. Dabei sind Passagen aus seinen Werken so zusammengestellt, dass die Zweifel des Mädchens nach und nach entkräftet werden. Der Dialog wird in poetischen Landschaftsbildern aus der Region dargestellt, die Strittmatter in vielen seiner Werke beschrieben hat. Sie bilden eine schöne Brücke, um seine Dichtkunst zu visualisieren. Vor allem die ermunternden Gedanken Strittmatters, mit denen der Großvater seine Enkelin auf die Schönheit und Macht der Natur aufmerksam macht, sind so verfilmt, dass sich ihre Emotionen in der Natur widerspiegeln. An manchen Stellen des Kurzfilms, vermehrt am Anfang, wird versucht, mehrere Handlungsszenen durch Wolkenmotive zu trennen. Leider wurde bei der Verwendung dieser Bilder etwas übertrieben, sodass sie auf den Zuschauer eher wie „Lückenfüller“ wirken. Abgesehen vom vermeintlichen Regen, ist jedoch die visuelle Umsetzung des fiktiven Dialogs gut gelungen. Nicht nur die Verfilmung des Dialogs, sondern auch seine musikalische Untermalung strahlt die Verbundenheit Strittmatters und seiner Werke zur Natur aus. Die dezenten und zu den Emotionen der Schülerin passenden Klavierstücke runden den Kurzfilm harmonisch ab. Auch die Geräuschkulisse, wie beispielsweise Vogelgezwitscher, verleiht der Stimme des Großvaters Strittmatters Identität. Zugegeben, die Probleme der Enkelin sind nichts Außergewöhnliches für Jugendliche ihres Alters. Jedoch machen diese „alltäglichen“ Sorgen den Kurzfilm nicht weniger interessant – nein, ganz im Gegenteil, da Jugendliche wie auch Erwachsene, sich ab und an in stressigen Situationen und Kummer wiederfinden, kann der Kurzfilm eine breite Masse an Zuschauern erreichen. Bei einer Filmlänge von 26 Minuten ist es allerdings nicht leicht, alles zu erfassen, was im Dialog erzählt wird. Es reicht nicht, den Kurzfilm einmal zu sehen, um alle Lebensweisheiten zu verstehen oder sich darüber Gedanken zu machen. Die vielen Details des Films lassen auch die eine oder andere Wiederholung nicht langweilig werden. Durch den Film werden Strittmatter und seine Lebenserfahrungen wiederbelebt. Wir lernen zu schätzen, wie viel der Mensch von der Natur noch lernen kann.
„Das Leben ist so sinnlos [!?]“ [Kora Büttner, Klasse 10L]
Wie sich unser Leben entwickelt, liegt bekanntlich bei uns selbst. Doch was ist, wenn wir mal nicht weiterwissen, uns die Leitfragen des Lebens nicht mehr loslassen und wir in ein emotionales Tief gerissen werden? Ein junges Mädchen, die von Lara Kantor dargestellt wird, erlebt ebenso ein Tief und beginnt das Leben infrage zu stellen. Der von Peter Moschall 2017 erschienene Kurzfilm „Die Mücke am Blatt“ erzählt von ihren Problemen mit der Liebe und von der Angst um ihre Zukunft, was in einer Art Melancholie mündet. Während es in ihrem Leben eher holprig zugeht, lässt sich dort auch eine Parallele zum Filmbeginn herstellen. Mit abrupten Musik sowie Orts- und Szenenwechseln ist es anfangs nur schwer möglich, einen roten Faden in Moschalls Kurzfilm zu finden. Der Großvater des jungen Mädchens versucht sie mit Weisheiten von Erwin Strittmatter wieder aufzumuntern. Mit seiner beruhigenden und tiefen, fast schon einschläfernden Stimme bringt er Harmonie in den Kurzfilm und lässt die anfängliche Hast verschwinden. Er steht seiner Enkeltochter mit vielerlei Ratschlägen in dieser schwierigen Lebensphase bei. Wobei seine ermutigenden Worte zum Ende des Kurzfilms immer umfassender und tiefgründiger werden. Deshalb kann bei einem einmaligen Betrachten des Filmes bei weitem nicht alles aufgenommen werden. Zudem bleibt teilweise zu wenig Zeit, um sich der Tiefgründigkeit von Strittmatters Weisheiten aus dem „Schulzenhofer Kramkalender“ und „Selbstermunterung“ bewusst zu werden. Jedoch lässt es sich nicht abstreiten, dass der Kurzfilm hervorragend ist. Moschall hat es in 26 Minuten Filmlänge geschafft, dem Zuschauer Strittmatters Denken näherzubringen. Dabei geht er besonders auf Strittmatters Leidenschaft für die Natur ein, die sich in zahlreichen Szenen erahnen lässt. Der Zuschauer erhält einen kurzen, aber sehr intensiven Einblick in die Vielfalt von Strittmatters Gedichten und setzt sich zugleich mit der Frage nach einem sinnlosen oder doch sinnvollen Leben auseinander. Genau darin liegt die größte Stärke des Kurzfilms: Er beschäftigt sich mit den zukunftsweisenden Gedanken und Fragen eines Heranwachsenden und regt zum Nachdenken an, ob man einer der von Strittmatter beschriebenen Lückenfüller oder mehr im Leben ist.
Die Ursachen unseres Unglückes [Maike Röhle, Klasse 10L]
„Der Sinn meines Lebens scheint mir darin zu bestehen, hinter den Sinn meines Lebens zu kommen. So betrachtet, ist es doch lohnenswert, zu leben“- So der Großvater zu seiner Enkelin in dem 2017 erschienenem Kurzfilm „Die Mücke am Blatt“ von Peter Moschall. Dabei thematisiert er die ewige Suche nach dem Sinn des Lebens- ein von Philosophen häufig aufgegriffenes Thema, welches man auch in anderen Werken der Literatur und der Kunst des Filmemachens wiederfindet. Im Film werden die Fragen, Ängste und Sorgen des Erwachsenwerdens durch die pubertierende Enkelin im Dialog mit ihrem Großvater repräsentiert, die sich in einer für diesen Lebensabschnitt typischen pseudodepressiven Phase befindet. Stress mit Freunden und Eltern, Druck in der Schule, hohe Erwartungen und das Gefühl von völliger Sinnlosigkeit. Ein tiefgründiger und metaphorisch erzählender Großvater und ein Mädchen auf der Suche nach Bedeutung erwecken neben der wunderschönen Landschaft rund um Spremberg und der emotionalen Musik so manche Frage im Zuschauer. Was werde ich in der Welt hinterlassen? Was kommt noch alles auf mich zu? Welchen Weg soll ich gehen? Wie lebe ich das Leben richtig? Mit all dem will man der Jugend den berühmten und sehr naturverbundenen Schriftsteller Erwin Strittmatter näher bringen, denn ein großer Teil des Textes im Film stammt aus seinen Werken. Doch schafft es der Film die ganze Problematik verständlich umzusetzen und der Zielgruppe zu vermitteln, die Jugend zum Nachdenken anzuregen und ihnen gleichzeitig Erwin Strittmatter vorzustellen? Ja und nein, denn obwohl das Thema technisch und schauspielerisch recht gut umgesetzt wurde, ist es doch am Anfang etwas schwer, den roten Faden der Handlung zu finden. Innerhalb von 26 Minuten wird der Zuschauer mit so viel Tiefgründigkeit überhäuft, dass es nahezu unmöglich für einen Jugendlichen ist, jeden Rat und jede Metapher beim ersten Mal zu entschlüsseln. Eine Möglichkeit wäre, sich den Film erneut anzusehen, jedoch erwecken langatmige 26 Minuten das Interesse der Jugendlichen nicht genug, weshalb dieser Kurzfilm leider seine Zielgruppe verfehlt, was ihn als Teil des Unterrichts unbrauchbar macht. Eine Verschwendung, denn die beiden authentisch gestalteten Figuren bieten so manch zauberhafte Antwort auf die tückischen existentiellen Fragen im Leben mit bemerkenswerten Zitaten wie: „Wir kennen die Ursachen unseres Glückes, aber die unseres Unglückes nicht.“ Somit ist dieser Kurzfilm zwar weniger empfehlenswert für die Jüngeren, jedoch durchaus als eine Hommage an die Lausitz mit ihrem berühmten Schriftsteller für ältere Generationen geeignet.
Ein tiefsinniger Film ohne Mehrwert? [Lenka Zacharias, Klasse 10L]
Ein ungeschliffener Diamant, geformt von Peter Moschall, ist der Kurzfilm „Die Mücke am Blatt“. Seit dem 10.08.2017 kann man sich diesen auch auf Youtube anschauen. In dem Film erlebt man die Geschichte eines niedergeschlagenen Mädchens nach der Trennung von ihrem Freund. Melancholisch denkt sie über ihr Leben nach. Doch wird ihr durch ihren lebenserfahrenen Großvater – gesprochen von Hellmuth Henneberg -gelehrt, wie schön das Leben sein kann, wenn man seinen Träumen und Zielen folgt. Im Laufe des Filmes merkt man bald, dass sich die anfangs noch freudlose Stimmung des Mädchens in ein energiegeladenes Grundgefühl ändert. Sie möchte etwas verändern und Grund dafür sind Strittmatters rezitierte Sprüche aus dem „Schulzenhofer Kramkalender“ oder „Selbstermunterung“. Es ist ein Film mit guten Intentionen, allerdings mit kleineren Mängeln in der technischen Umsetzung. Angefangen beim Regen, der einer Gießkanne entstammt, oder den übersteuerten Autogeräuschen. Viel Wert wurde hingegen auf Details gelegt, durch die der Kurzfilm für den Zuschauer authentischer wirkt, wie zum Beispiel einzelne Tränen auf einem Blatt Papier. Beim Schnitt ist nicht für jede Kameraeinstellung eine Aufgabe erkennbar, beispielsweise wechseln wahllos Nahaufnahmen der Schule zu Detailaufnahmen von Wolken. Trotzdem gibt es immer wieder kleinere Höhepunkte, unter anderem schöne Naturaufnahmen, bei denen Kamerafahrten gekonnt eingesetzt werden. Die Tiefsinnigkeit dieses Films ist leicht erkennbar, allerdings muss man ihn mehrfach sehen, um den Inhalt vollkommen zu verstehen. Insgesamt erscheint die Handlung etwas gestreckt. Sie enthält zwar viele Informationen, trotzdem besitzen viele denselben Kerngedanken. Dadurch verlieren sie an Wichtigkeit und haben kaum Mehrwert für die Geschichte. Doch muss man sagen, dass die Moral der Geschichte anspricht. Nach dem Motto „Wege entstehen dadurch, dass wir sie gehen.“ wird man aufgefordert, sein Leben selbst in die Hände zu nehmen und das zu machen, was man möchte. Die Entscheidung liegt ganz bei sich selbst, genauso wie die Entscheidung, ob man sich den Film anschaut oder nicht.
Gibt es etwas Neues bei Strittmatters? Wer glaubt, dass es nichts gäbe, irrt. Zum 105. Geburtstag des Dichters hatte der Strittmatter-Verein zum Fest nach Bohsdorf geladen. Gekommen waren zahlreiche Literaturfreunde aus nah und fern. Nach der Begrüßung durch die Vereinsvorsitzende Renate Brucke las zunächst der Cottbusser Schauspieler Michael Becker aus seinem Strittmatter-Programm. Eine Stunde lang unterhielt der Mime sein Publikum auf unterhaltsame Weise in seiner unverwechselbaren Art. Die Stühle reichten kaum aus. Dann hatte ein neuer Film Premiere. „Die Mücke am Blatt“ heißt der halbstündige Streifen von Peter Moschall. Der langjährige ZDF-Kameramann, der sich nun im verdienten (Un-)Ruhestand befindet, hatte bei dieser Filmproduktion als Regisseur und hinter der Kamera die Fäden in der Hand. Begonnen hat Peter Moschall seine Karriere nach einem Studium an der Hochschule für Film- und Fernsehen in Babelsberg beim Fernsehen der DDR. In dem Film spielt Peter Moschalls Nichte Lara Kantor eine junge Frau, die von ihrem Freund verlassen wird. Im Gespräch mit ihrem Großvater schöpft das Mädchen neuen Lebensmut, lernt vom Leben und seinen Widersprüchen. Die Antworten des Großvaters auf die vielen Fragen der Enkelin stammen aus Erwin Strittmatters Werken „Schulzenhofer Kramkalender“ und „Selbstermunterungen“. Damit hebt der bildgewaltige Film Strittmatters Literatur noch einmal auf eine ganz neue Stufe. Nicht zuletzt trägt die Filmmusik von Melanie Minuit dazu bei, dass hier eine berührende Geschichte sehr behutsam erzählt wird. Der Film entstand mit Unterstützung durch den Erwin-Strittmatter-Verein, insbesondere dessen Chefin Renate Brucke, und ist ein nicht-kommerzielles Projekt. Zahlreiche Sponsoren trugen zum Gelingen bei. Der Film musste aufgrund des großen Andrangs insgesamt drei Mal gezeigt werden. Ich hatte Gelegenheit, mit Peter Moschall (P.M.) sowie der Protagonistin und Hauptdarstellerin Lara Kantor (L.K.) das folgende Gespräch zu führen.
Woher stammt die Idee, diesen Film zu drehen? P.M.: Das ist eine lange Geschichte. Ich bin in den Vorruhestand gegangen und hatte, weil ich beruflich immer sehr engagiert und beansprucht war, Angst, in ein schwarzes Loch zu fallen. So habe ich nach Ideen gesucht. Inspiriert wurde ich bei Laras Jugendweihe. Ich war ihr Fotograf und bat sie, sich in ihrem Kleid unter den Lindenbäumen zu bewegen. Mein Fotoapparat kam nicht zu Ruhe, klack, klack, klack. Danach habe ich zu ihr gesagt: „Lara, mit Dir mache ich einen Film.“ Das zweite Ereignis war mein Klassentreffen in Spremberg. Da wurde ein Rundgang durch das Strittmatter-Gymnasium gemacht, der uns auch in die Bibliothek führte. Als Schüler war die immer tabu für uns. Ich sah die „Location“ und mir war klar, hier musste ich mal einen Film drehen. Der dritte ausschlaggebende Punkt war eine Zeitungsnotiz. Da stand drin, dass Joachim Jahns sein Buch „Strittmatter und die SS“ vorstellt. Es war ein riesiges Interesse an Strittmatter bei dieser Lesung. Ich erfuhr, dass zur Diskussion stand, den Namen Strittmatter „meinem“ Gymnasium abzuerkennen. Das hat mich persönlich getroffen. Erwin Strittmatter ist in dieses Gymnasium gegangen, ich bin in dieses Gymnasium gegangen und Lara geht immer noch dort hin. Ich stellte mir die Frage, was man aus diesen drei Dingen machen konnte: Lara, der Bibliothek und der Geschichte um Strittmatter. So wurde dann die Idee zu diesem Film geboren. Renate Brucke, die Vorsitzende des Strittmatter-Vereins übergab mir eine Menge an Aphorismen und Zitaten. Ich legte mir außerdem eine große Strittmatter-Bibliothek zu. So stand ich vor einem riesigen Berg an Material, dass mit einem roten Faden verbunden werden wollte. Daran arbeitete ich, bis es zu einem Halbstundenfilm taugte, auch mit großer Unterstützung meines Dramaturgen. Lara sollte die Fragen stellen, deren Antworten Strittmatter bereits vor Jahrzehnten gegeben hat. Wir wollten sehen, ob die Fragen der heutigen Jugend auch jene von Strittmatters Generation gewesen sind. Das hat funktioniert. Wir haben lange überlegt, was Lara dazu bewegen könnte, aus der Klasse zu rennen. Die Idee, dass ihr jemand den Freund ausspannt, kam von ihr selbst. Wir haben dann an dem Rohdiamanten gemeinsam geschliffen. So ist der Film entstanden.
Lara, haben Sie sofort „Ja“ zu dem Filmprojekt gesagt? L.K.: Als mir Peter beim Tee seine ersten Ideen vorstellte, war meine Reaktion: „Ja, warum nicht.“ Die Erkenntnis, wie groß das Ganze eigentlich werden würde, kam bei mir erst, als wir schon mit dem Drehen begonnen hatten. Natürlich wusste ich von Anfang an, dass ein Film entstehen sollte. Aber nach den ersten Drehtagen wurde mir bewusst, das wird was wirklich Großes, Wichtiges. Es kamen auch erste Bedenken: wer wird das sehen, wie wird das Publikum den Film aufnehmen. Ich wurde dann schon ein wenig skeptisch, es war aber nie so, dass ich es hätte nicht machen wollen. Mir hat die Arbeit viel Freude gemacht, ich war gern dabei und bin froh, dass ich die Rolle übernehmen durfte.
Wie war die Arbeit mit Lara vor der Kamera? P.M.: Als die Dreharbeiten begannen, wir die Szenen mit den Sonnenblumen drehten, war sie noch ein ganzes Jahr jünger. Leute, die den Film bisher sahen, staunen darüber, wie Lara über ein Jahr hinweg die Rolle verkörpern konnte, sie nie vergessen hat, wer und wie sie war. Sie hat die Rolle unglaublich gut gespielt. Wir haben chronologisch gedreht, das ist beim Film etwas ungewöhnlich. Dafür, dass Lara zum ersten Mal gespielt hat, ist sie mit eiserner Disziplin drangeblieben. Das hat mir sehr imponiert. Sie hat am Set dann auch selbst Vorschläge gemacht, sich eingebracht. Ich habe schon viele Menschen vor meiner Kamera gehabt. Aber Lara ist etwas ganz besonderes.
Gab es irgendwann Momente, in denen Sie die Lust am Spielen verließ? L.K.: Manchmal gab es diese Momente. Wenn man immer und immer wieder dieselbe Szene dreht, ist es manchmal schwierig. Aber das geht schnell vorbei.
Lara, Sie sind noch Schülerin. Wäre es vielleicht Ihr Wunsch, später einen Beruf in Richtung Film und Kunst zu ergreifen? L.K.: Es schwirrt mir schon manchmal durch den Kopf. Die Frage ist aber, ob man davon auch leben kann. Es ist sicher schwer, da rein zu kommen und genommen zu werden. Einerseits würde es mich interessieren, aber ich weiß noch nicht, ob ich da dranbleiben werde. Andererseits versuche ich erstmal, Einblicke zu bekommen, die Abläufe kennenzulernen. Ich habe ja schon an mehreren, kleinen Filmprojekten und Kursen in der Schule, auch an der Lausitziale, teilgenommen. Das macht schon Spaß. Vielleicht findet sich ja noch mal ein Projekt, wo ich sage, das will ich wirklich machen. Aber momentan bin ich mir da noch ziemlich unsicher.
Hat die Arbeit am Film dazu beigetragen, Strittmatter zu lesen? L.K.: Ja, das stimmt. Das erste Strittmatter-Buch, das ich gelesen habe, hat mir Peter geschickt. Es waren die „Selbstermunterungen“. Manches mochte ich mehr, manches weniger, aber insgesamt hat mir das Buch sehr gefallen. Als in der Schule die Frage anstand, welche Bücher gelesen werden, habe ich mich für Erwin Strittmatter entschieden. Ich habe dann mit dem „Laden“ begonnen. Mittlerweile lese ich gern seine Bücher und setze mich mit ihnen auseinander. Ich finde es etwas schade, dass viele andere in meinem Alter nicht so sehr an Erwin Strittmatters Literatur rankommen oder es nicht wollen.
Peter, wie sind Sie zu Strittmatters Literatur gekommen? P.M.: In meinem Berufsleben war oft wenig Zeit und Muße für Literatur. Erst durch die Geschichte mit der umstrittenen Militärvergangenheit und das Buch von Jahns wurde ich wieder an Strittmatter herangeführt. Ich hatte in Renate Brucke einen guten Ansprechpartner. Sie hat mir vieles empfohlen. Und jetzt bin ich wieder ganz eng bei Strittmatter, lese ihn gern, mein Bücherschrank ist voll. Zuletzt habe ich mit viel Vergnügen den „Wundertäter“ gelesen und gemerkt, Strittmatter meint sich selbst in diesem Roman. Er wollte Dichter werden und hatte keine Lust, sich totschießen zu lassen. Er war die „Mücke am Blatt“.
Was sind Ihre Zukunftspläne? P.M.: Ich werde gar nicht anders können, als wieder etwas Neues anzufangen. Aber es gibt zwei Prämissen: Lara sollte dabei sein und Melanie Minuit muss wieder die Musik zum Film einspielen. Entscheidend ist natürlich eine tragfähige Geschichte. L.K.: Ich werde auf jeden Fall am Filmen und Fotografieren dranbleiben. Wir haben hier in Spremberg ja viele Möglichkeiten. Es gibt die Lausitziale mit Filmschule, auch an unserer Schule gibt es Verschiedenes. Aber ich hoffe sehr, dass wir irgendwann zusammen mit Peter ein neues Filmprojekt starten werden. Es hat wirklich sehr viel Spaß gemacht, ich würde jederzeit wieder mitmachen.
Der Film von Peter Moschall ist im Internet bei Youtube unter nachfolgendem Link verfügbar:
Im Anschluss an die Filmvorführung dankte Peter Moschall unter ehrlichem Beifall des Publikums einigen Mitwirkenden mit einer Rose, insbesondere Lara Kantor und ihrer Mutter, Renate Brucke für die Unterstützung, Melanie Minuit für die musikalische Gestaltung und nicht zuletzt seiner eigenen Frau für Ihr Verständnis. Viele Besucher haben es sich nicht nehmen lassen, die neu gestaltete Großelternstube im Obergeschoss des Ladengebäudes zu besichtigen. Bei Kaffee und Kuchen wurde im Hof „unter Eechen“ so manches interessante Gespräch geführt und neue Kontakte geknüpft. Ein herzliches Dankeschön an all die fleißigen Helfer des Erwin-Strittmatter-Vereins, die vor und hinter den Kulissen diese Geburtstagsfeier zu einem unvergesslichen Erlebnis werden ließen
Wir erinnern uns am 14. August an einen großen ostdeutschen Romancier und Dichter, auf dessen Werke die kleine DDR stolz war (und ihn deshalb literarisch gewähren ließ), auf die unser Verein stolz sein kann und auf die seine Geburtsstadt Spremberg, in der Strittmatter seit 1988 Ehrenbürger ist, sehr stolz sein könnte.
Es aber leider immer noch nicht ist. Ich bin gespannt, wie sich die Stadtverordneten nach den angeblich neuen Erkenntnissen des Historikers Bernd-Rainer Barth entscheiden werden.Wer sich seit den Veröffentlichungen Werner Lierschs 2008 zur Militärvergangenheit Strittmatters mit der Problematik beschäftigt, wer an der Podiumsdiskussion mit Herrn Barth im Januar 2009 in der Aula des Spremberger Gymnasiums teilgenommen und wer aufmerksam DIE BIOGRAFIE von Annette Leo gelesen hat, kennt die Fakten. „Ob Strittmatter selbst an Kriegsverbrechen beteiligt war, ist offen“, erklärte Barth. Im Zweifel für den Angeklagten, sagt die deutsche Rechtssprechung.
Was mich vielmehr verwundert, dass die Spremberger die über fünf Jahre dauernde, 11.000 Euro kostende und nicht Neues bringende Recherche einfach so hinnehmen … Die Bürgermeisterin, Frau Herntier, versicherte mir kurz vor ihrer Wahl im persönlichen Gespräch, dass sie dem Spremberger Ehrenbürger positiv gegenüber stehe. Nun muss man wieder abwarten, was sich im Tale der Spree tut.
Alle, die Strittmatters Literatur und seine Tagebücher gelesen haben, wissen, wie er über die Kriegsschuld seiner Generation und über Kriege dachte. Er hat es auf seine Weise verarbeitet. Selbst Annette Leo sagte in einem Zeitungsinterview, dass man einem Schriftsteller nicht vorschreiben könne, was er zu s c h r e i b e n habe. Der Literaturwissenschaftler Professor Gansel gab während einer Gesprächsrunde im Cottbuser Theater 2012 dazu folgende Erklärung: Strittmatter habe nur das geschrieben, sich nur an das erinnert, was das Ich stärkt, er habe wohl nicht die Form gefunden, über diese schrecklichen Ereignisse zu schreiben. Vielleicht, wenn ihm noch mehr Lebenszeit geblieben wäre …? Daniiel Granin schrieb seinen Stalingrad-Roman auch erst mit über neunzig Jahren,weil es vorher nicht vermochte.
Ich empfehle den Spiegel-Artikel vom 15. Juli 2017 des Militärhistorikers Sönke Neitzel mit m.E. vielen richtigen Erkenntnissen zu Rassismus-, Antisemitismus- und Militarismusgedankengut von heute in der Bundeswehr geehrten Widerstandskämpfern. „Keiner ging aus dem Zweiten Weltkrieg weiß hervor. Es geht um Grautöne: Bei … ist es ein helles Grau, bei anderen ein dunkles Grau. Und wir sollten diese Grautöne zulassen.“
Immer wieder höre ich, dass man alles aus der DDR-Kultur versucht platt zu machen bzw. zu delegitimieren. Ist das wirklich so? Warum tut sich die Brandenburgische Regierung mit dem aus Forst stammenden Dr. Dietmar Woidke so schwer, Erwin Strittmatter öffentlich (wieder) zu würdigen? Er wird doch die Werke kennen?
Erwin Strittmatter selbst war kein großer Freund von Geburtstagsfeiern. Zu seinem 70. Geburtstag schreibt er 1982 in sein Tagebuch: „Nun treibt es den alten Mann immer mehr auf seinen siebzigsten Geburtstag zu. Freilich hätte er flüchten können, aber dann hätte er viele Fragen und Stunden mit Gratulanten versitzen müssen.“ Kurz vor seinem 75. Geburtstag hält er im Tagebuch fest: „Jetzt fange ich an, mich vor den Geburtstagsfeierlichkeiten zu fürchten, je mehr sich Tag und Stunde nähern, desto eifriger.“
Wir lassen es uns dennoch nicht nehmen, ihn im August 2017 mit einer kleinen Veranstaltung auf dem Laden-Hof, seiner „zweiten Heimat“ – Schulzenhof nannte er seine erste Heimat – zu würdigen. Dazu haben wir uns den Schauspieler, Erzähler, Schriftsteller und bekennenden Strittmatter-Freund Michael Becker mit seinem Erwin-und Eva-Strittmatter-Programm eingeladen. Ein Kurzfilm „Mücke am Blatt“- ein fiktiver Dialog zwischen Enkelin und Großvater mit Texten u.a. aus Strittmatters „Selbstermunterungen“ des ehemaligen ZDF-Kameramannes Peter Moschall – wird auch Premiere haben und soll vor allem junge Leser für Strittmatters Literatur aufschließen. Seine Nichte Klara Kantor, die Hauptfigur, hat schon während der Dreharbeiten ihr Interesse an seiner Literatur entdeckt.
Erwin Strittmatters sorbische Großeltern Matthäus und Magdalena Kulka, gebürtig aus Partwitz bei Hoyerswerda,
gaben Anfang der Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts ihren Kolonialwarenladen An der Mühle Numero 1 in Spremberg auf und bezogen dieses Zimmer. Sie wollten die Familie ihrer Tochter Lenchen bei der Kinderbetreuung, in der Backstube, in der Landwirtschaft und im Haushalt unterstützen. Der Großvater starb 1945 in diesem Zimmer; in„Großvaters Tod“ in Schulzenhofer Kramkalender lässt Strittmatter ihn sagen: „Ich sterbe hier, und du treibst dir rum, und ich habe dir gerettet, wie du kleene warst!“
Auch seiner Großmutter, die sich liebevoll um ihre Enkelkinder kümmerte, hat Strittmatter mit Anderthalbmeter-Großmutter oder Detektiv Kaschwalla ein literarisches Denkmal in der Laden-Trilogie gesetzt.
Seit kurzem haben Besucher die Möglichkeit, dieses Zimmer mit teilweise historischem Mobilar, Fotos der Großeltern und einem Strittmatter-Porträt von Hubertus Giebe zu besichtigen.
Die Gräber der Großeltern befinden sich noch auf dem Bohsdorfer Friedhof.