Der Wundertäter in Dinslaken von Joachim Schulz-Marzin

Joachim Schulz-Marzin
Der Wundertäter in Dinslaken

„Eine sachte Sonne durchwärmte das Land … Auf dem Bahnhofsvorplatz saßen Menschen, die sich an der Vorfrühlingssonne wärmten“. Einem Personenzug entstiegen zwei Männer mit langem Haupthaar und mächtigen Bärten. Gekleidet waren sie wie „griechische Priester“. Ihre Kopfbedeckung, eine Kamilawka, erinnerte an orthodoxe Kleriker. So gewandet betraten Stanislaus Büdner und Johannis Weißblatt „die Stadt Dinsborn, und das war eine mittelgroße Stadt am Niederrhein in der Nähe der Grenze.“ 1

Als Erwin Strittmatter in Dinslaken ankam, um im Tierpark DiWa zu arbeiten, sah er diesen Dinslakener Bahnhof.
Foto Stadtarchiv Dinslaken

Unmittelbar zu Beginn des zweiten Teils der Trilogie „Der Wundertäter“ macht uns der Autor bekannt mit Stanislaus Büdner, der Hauptperson seines Romans, und Dinsborn, dem Schauplatz des zweiten Bandes. Hinter der Figur Stanislaus Büdner und seinen Handlungen verbirgt sich der 1912 im brandenburgischen Spremberg geborene Erwin Strittmatter und hinter Dinsborn verhüllt sich Dinslaken. „Mein Vater“, schreibt der zweite Sohn aus erster Ehe Knut Strittmatter, „habe immer alles benutzt für seine Romane: seine Bäckerlehre, Redakteurszeit, Figuren aus der Familie, seinen Wunsch, Schriftsteller zu werden, die ewige Suchbewegung des Lebens.“ 2

Im April 1935 bewarb sich Strittmatter als Leiter für eine geplante Zuchtanlage des Tierparks „Diwa“ in Dinslaken. Schon wenige Tage später trat er die Stelle an und blieb sechs Monate am Niederrhein. Wegen eines Konfliktes mit seinem Chef kündigte er. Aus einem Schreiben des Tierparkleiters Weidemann geht hervor, dass Strittmatter nicht solo war. Im September und Oktober betätigte sich Waltraud Kaiser, Strittmatters spätere erste Ehefrau, als „Haustochter“ in Dinslaken.3 Danach arbeitete sie in Beulwitz/Thüringen auf dem „Edelhof“. Hier war Strittmatter selbst von September 1936 bis Mai 1937 angestellt. Er arbeitete „in Haus und Garten, als Autofahrer und als Berater meiner Angorakaninchenfarm“, schrieb Hedwig Ruetz in Strittmatters Zeugnis.4

Im zweiten Wundertäter-Band versetzte Strittmatter den „Edelhof“ nach Dinslaken und schilderte, wie Stanislaus Büdner Tätigkeiten wie bei Hedwig Ruetz verrichtete. Im Roman allerdings heißt die Besitzerin Elly Mautenbrink und war eine wohlhabende Kriegerwitwe. Sie beschäftigte Stanislaus, nachdem er seine Stellung im „Weißblattschen Betonbau“ verloren hatte. Im dritten Band erinnerte sich Stanislaus, nun mehr Redakteur einer DDR-Kreiszeitung, an seine Zeit als „Edelhofdichter“. Wegen der dort gemachten Erfahrungen als Poet wetterte er gegen seine Zeitungskollegen und forderte von ihnen: „Schreib lebendig, Mensch!“5 Für Elly Mautenbrink sollte Büdner im Wesentlichen deren umfangreiche Bibliothek neu aufstellen. Die Lektüre der zu ordnenden Bücher beanspruchte Stanislaus derart, dass er auf Avancen seiner Arbeitgeberin nicht reagierte. Stattdessen becircte Elly den „Patriarchen“, wie der Vater von Büdners Kriegskameraden Johannis Weißblatt im Roman genannt wird.

Als Stanislaus Büdner, die Hauptperson in „Der Wundertäter“ nach dem Zweiten Weltkrieg Dinslaken erreichte, fand er diesen Bahnhof und solche Verhältnisse vor.
Fotos Stadtarchiv Dinslaken

1949, vier Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, waren Büdner und Weißblatt mit dem Zug in Dinslaken angekommen. Wohl nicht allein aus Freundschaft hatte der damals 37jährige Stanislaus Büdner Johannis Weißblatt, den einzigen Sohn eines Bauunternehmers, begleitet. Primär erhoffte sich Stanislaus Arbeit beim „Weißblattschen Betonbau“ und im Besonderen vor allem Wissen und Fertigkeiten für das eigene Schreiben. Denn Stanislaus wollte unbedingt lernen, wie man Gedichte verfasst und Erzählungen schreibt. Johannis hatte vor dem Krieg zwei Lyrikbände veröffentlicht, die jedoch kaum einer beachtete. Dennoch fühlte er sich als ein Poet, dem besondere Rücksicht gebühre. Stanislaus tat ihm diesen Gefallen und übernahm während ihrer Zeit bei der Wehrmacht freiwillig viele seiner Dienste, damit Johannis in Ruhe schreiben konnte – was er allerdings nicht tat.

In Dinslaken stellte Stanislaus fassungslos fest, dass sich Johannis nicht mehr als Dichter verstand, sondern sich als Philosoph und Religionsgründer sah. Er trug weiter seine mönchische Kleidung und gründete den „Santorinischen Bruderorden“. Als erstes und einziges Mitglied gewann er eine Halbweltdame aus Düwelsheim6, die wegen ihres Aussehens und ihrer Wirkung auf Männer viele Spenden akquirieren konnte. Auf dem Weg der Erleuchtung folgte Stanislaus seinem Kriegskameraden nicht.

Da Johannis Weißblatt keinerlei Interesse zeigte für das Unternehmen seiner Eltern, bestimmte sein Vater, der „Patriarch“, Stanislaus zu seinem Nachfolger. Der „Patriarch“ hatte erkannt, dass Stanislaus mit den Arbeitern umgehen und selbst tüchtig anpacken konnte. Stanislaus‘ Aktivität allerdings kam bei den Arbeitern nicht immer gut an, denn seine zupackende Art brachte ihren Arbeitsrhythmus durcheinander und minderte ihre Produktivität.

Neben seiner Tätigkeit in der Firma setzte Stanislaus kontinuierlich seine Schreibversuche fort. Durch Johannis‘ Vermittlung sollte er Gedichte in der renommierten Düwelheimer Zeitschrift „Übersinn“ veröffentlichen. Doch jedes Mal, wenn er neue Gedichte vorlegte, monierte der Herausgeber, Büdners Schreibstil sei nicht mehr en vogue. Dadaismus, Expressionismus, Surrealismus oder Symbolismus seien passé. Diese ständig neuen Ismen machten Stanislaus mutlos und ließen ihn an seiner Dichtkunst verzweifeln.

Hingegen erschienen Büdners Essays im „Übersinn“. Allerdings nicht unter seinem Namen, sondern dem seines Freundes Weißblatt. Der gab sich als Autor aus und veröffentlichte Stanislaus‘ Texte unter seinem Namen. Der Betrug führte zum Zerwürfnis der beiden ehemaligen Kriegskameraden. Zeitgleich mit dem Ende ihrer Freundschaft verlor Stanislaus seine Stellung im „Weißblattschen Betonbau“. Der Patriarch wurde von seiner Frau Friedesine unter Druck gesetzt, dass sie ihren Anteil aus der Firma nähme, wenn Stanislaus die Nachfolge antrete.

Die Wirtschaft Brinkmann, am Rhein gelegen, die Strittmatter wie sein Alter Ego Stanislaus Büdner gerne aufgesucht haben. (Das beliebte Wirtshaus existiert heute nicht mehr.)
Foto Stadtarchiv Dinslaken

„Die Lieder sind verklungen,
Die Spuren, sie sind verweht.
Süßherbe Erinnerungen,
Die Zeit zaust mich und vergeht.“
Diese Verse, die Stanislaus während seiner Rekrutenzeit auf Lilian Pöschel verfasst hatte, sowie einige andere Gedichte trug Stanislaus auf einem „gehaltvollen Abend“ bei Elly Mautenbrink vor. Nach der Rezitation stammelte die Gastgeberin erregt „Superb“ und fügte „Exquisit!“ hinzu. Die Lyrik gefiel Elly derart, dass sie den arbeitslosen Stanislaus für Haus und Garten einstellte und ihm eine Wohnung auf dem „Edelhof“ überließ. So lernte Stanislaus auf Ellys Festen die bessere Dinslakener Gesellschaft kennen. „Ob Strahlenforscher, ob Chemieprofessor, Fabrikant, Popignore7, Sänger oder Schauspieler, keiner war sich zu schade für die Mautenbrinksche Abendgesellschaft.“ Als Elly jedoch erfuhr, dass Stanislaus verheiratet war, verlor er Stellung und Wohnung. Damit endete Stanislaus‘ Zeit in Dinslaken.

Büdner schloss sich einer Theatergruppe an und reiste mit ihr von Ort zu Ort. Gleichzeitig „schrieb, schrieb und strich“ er an einem Schauspiel, welches das Leben am Niederrhein auf die Bühne brachte. Von einem Erfolg des Stückes wird nichts gesagt. Wie Stanislaus Dramatiker wurde und das Schauspiel auf die Bühne brachte, erinnert an Strittmatters eigene Entwicklung zum „Theaterdichter“. Sein erstes Stück „Katzengraben“ wurde mit Hilfe Bertolt Brechts 1953 vom Berliner Ensemble aufgeführt. Nach der Station am Theater kehrte Stanislaus zurück nach „Waldwiesen“, seinem Heimatort in der sowjetischen Besatzungszone, der späteren DDR. Dort wurde er Gemeindesekretär, trat der SED bei und nahm an Parteischulungen teil.

Ganz offensichtlich enthält die Trilogie „Der Wundertäter“ zahlreiche persönliche Erlebnisse Strittmatters. Mit Hilfe der Biographien von Eva Strittmatter und Günther Drommer sowie Annette Leo8 lassen sie sich teilweise aufdecken. Für Dinslaken und den Niederrhein sind die 432 Seiten des zweiten Bandes von hoher Bedeutung. War doch Strittmatter 1935 für ein halbes Jahr als Tierpfleger auf einer Angorafarm in Dinslaken tätig. Ende der 1940ziger Jahre, als der Roman spielt, lag Dinslaken in Trümmern und entsprach keinesfalls mehr dem Ort, den Strittmatter kennengelernt hatte. Deshalb erwähnt Strittmatter Zerstörungen, Elend und Hunger der Nachkriegszeit in Dinslaken nur recht allgemein. „Die Menschen hungerten, und viele suchten nach Nahrung, und wenige forschten nach den Ursachen ihrer Not“. Nach 1935 hat Strittmatter weder Dinslaken noch den Niederrhein jemals wieder gesehen. Im Roman verfremdete er die Ortsnamen: So wird aus Dinslaken Dinsborn, aus Hamborn Humborn und Düsseldorf wird zu Düwelheim. Hinter Stanislaus Büdners Heimatort Waldwiesen verbirgt sich Bohsdorf. Dorthin war 1919 die Familie Strittmatter sieben Jahre nach Erwins Geburt in Spremberg gezogen.

In den Westen begleitete Strittmatter seine Freundin und spätere erste Frau Waltraud Kaiser. In Dinslaken arbeitete sie als Hausmädchen.9 Im Roman heißt Büdners erste Ehefrau Lilian Pöschel. Aber mehr als ihr Name wird nicht erwähnt. Dennoch spielen Frauen sowohl für die Hauptfigur des Romans als auch für Erwin Strittmatter eine überaus wichtige Rolle. Beide, Stanislaus und der Wundertäter-Autor, flüchteten oft aus den Komplikationen der einen Beziehung in eine neue. „Man muss wieder einmal gespannt sein, wie sich die Knoten, die das Schicksal mit Käte, Monette, Gertrud, Maria in mein Leben geschlungen hat, lösen werden“, notierte Strittmatter.10

Kartenausschnitt des Dinslakener Stadtplans (von 2020) mit der Lage des Tierparks DiWa und mit der Betonfabrik, wo Stanislaus Büdner beschäftigt war. Der Rhein ist grün gezeichnet.
Foto Stadtarchiv Dinslaken

Strittmatters Alter Ego Stanislaus erlebte in Dinslaken zunächst eine intensive Liebesbeziehung zu Rosa Lupin. Als sich der „Knoten“ zu ihr löste, war er von Betty Lund hingerissen. Auf Spaziergängen mit der heftig umworbenen Rosa erkundete Stanislaus die Umgebung Dinslakens. Sie kehrten mehrmals ein in die Gaststätte „Zum Stappschen Hähnchen“, einem bekannten Lokal am Rhein. Hinter dem Lokal verbarg sich die Gaststätte „Haus am Stapp“, die Einheimische und Ausflügler in den dreißiger Jahren zum Hähnchen-Essen lockte. Rosa trägt Züge von Eva Braun, Strittmatters dritter Frau. Während des Schreibprozesses am Wundertäter hatten sich der ältere Erwin und Eva, sie war 18 Jahre jünger, kennen gelernt. 1956 heirateten sie und ein Jahr später erschien der erste Band der Roman-Trilogie.

Wie Eva Braun war auch Rosa Lupin erheblich jünger als der damals 37jährige Stanislaus. Aber weder der Altersunterschied beeinträchtigte ihre Amour fou, noch Rosas Vater, der seit Jahren im Weißblattschen Betonbau beschäftigt war und bewusst Abstand zum künftigen Chef Stanislaus hielt. Wie ihr Vater und ihr Onkel bekannte sich Rosa zum Sozialismus. Wohl nicht zufällig erinnern ihre politischen Überzeugungen und ihr Vornamen an Rosa11 Luxemburg. Ihren Onkel zog Rosa öfter ins Vertrauen und hoffte auf Ratschläge von ihm. Als sie erfuhr, dass Stanislaus mit Lilian Pöschel verheiratet war, kriselte es erheblich in ihrer Beziehung. Rosa solle Dinslaken verlassen, so der Onkel, und weit weg ein Studium beginnen. Als Rosa dem Rat folgte, löste sich die Liebesverbindung. Dennoch trug Stanislaus „sein Leben lang“ die Sehnsucht nach Rosa mit sich herum.

Der Tierpark DiWa (Akronym für Dinslaken und Walsum)
Foto Stadtarchiv Dinslaken

Mehr als über Elly Mautenbrinks Annäherungsversuche und denen anderer Damen Dinslakens erfährt der Leser über Betty Lund. „Sie war nicht zu groß und nicht zu klein, nicht zu hübsch und nicht zu häßlich […]. Sehr begabt war die Lund für die Liebe.“ So lange Stanislaus am Theater arbeitete, entbrannte er für sie. Die Liebe „verdichtete sich also, und das Geld, das Stanislaus in seiner geheimen Rocktasche aufbewahrte, verflüchtigte sich allmählich.“

Während der Zeit in Dinslaken erinnerte sich Stanislaus häufig und dankbar an Melpo, einem jungen Mädchen von der größten Kykladen-Insel Naxos. Nach seiner und Weißblatts Fahnenflucht half ihnen Melpo und brachte beide in einem griechisch-orthodoxen Kloster in Sicherheit. Als Melpo im „Kykladen-Frühling“ den Novizen Stanislaus besuchte, küsste sie ihn. „So erfuhr Stanislaus, daß ihm die Liebe eines griechischen Mädchens gehörte.“

Dass Stanislaus in Griechenland geliebt wurde und er zurückgezogen und ungeschoren einige Zeit im Kloster verbringen konnte, entsprang wohl dem Wunsch Strittmatters, seinen eigenen Kriegseinsatz in Griechenland zu verklären und umzudeuten. Im Zweiten Weltkrieg diente er in einem SS-Polizei-Gebirgsjäger-Regiment, das in Griechenland Juden und Zivilisten erschoss und Partisanen bekämpfte. Eine aktive Tat wurde Strittmatter jedoch nicht nachgewiesen. Wie viele seiner Generation zog er es vor, über seine Rolle als SS-Wachtmeister öffentlich zu schweigen.

Erwin Strittmatter im Tierpark DiWa.
Fotos aus Annette Leo. Erwin Strittmatter. Die Biographie. Aufbau-Verlag. Berlin 2012
Erwin Strittmatter im Tierpark DiWa.
Fotos aus Annette Leo. Erwin Strittmatter. Die Biographie. Aufbau-Verlag. Berlin 2012

1973, sechzehn Jahre nach dem ersten Band und 38 Jahre nach Strittmatters Aufenthalt in Dinslaken, erschien der zweite Teil „Der Wundertäter“. Darin siedelte Strittmatter Ende der 1940ziger Stanislaus Büdner, Hauptfigur der Trilogie, in Dinslaken an. Hier muss Stanislaus einerseits körperlich arbeiten und ist andererseits schriftstellerisch tätig. Besessen vom Schreiben verlässt Büdner Dinslaken, kehrt in sein Heimatdorf in der DDR zurück und hofft, dort als Schriftsteller zu reüssieren. Er tritt in die SED ein und wird Gemeindesekretär. Im dritten Band gerät er als Zeitungsredakteur in Konflikt mit den Behörden, vor allem mit der Stasi. Sowohl Stanislaus als auch Strittmatter wollten sich weder von der Partei noch staatlichen Instanzen etwas vorschreiben lassen und deshalb empfanden beide bald ein Unbehagen an der DDR.

Mit Büdners Ortswechsel von West nach Ost und dem Einstieg in die Politik ändert sich der Ton des Romans. In Dinslaken wird der Alltag eher skurril dargestellt und der westdeutsche Kulturbetrieb mit seinen Ismen schrill und schräg präsentiert. Im Osten hingegen kritisiert Strittmatter scharf die Lebensverhältnisse. Diese Tendenz verstärkt sich noch im letzten Band seiner Trilogie, in der aber Dinslaken nicht mehr vorkommt.


Anmerkungen
1) Wenn nicht anders angegeben, ist alles kursiv Gesetzte aus dem zweiten Band der Trilogie „Der Wundertäter“ von Erwin Strittmatter, Aufbau-Verlag, Berlin 2019, 432 Seiten.
2) www.tagesspiegel.de/kultur/streit-um-strittmatter-kritisch-mit-der-ddr-unkritisch-mit sich-selbst
3) Waltraud Kaisers Arbeitgeber in Dinslaken konnte nicht ermittelt werden.
4) Arbeitszeugnis von Hedwig Ruetz für Erwin Strittmatter, 19. Juni 1937. In: Erwin Strittmatter. Eine Biographie in Bildern. Hrsg. von Eva Strittmatter und Günther Drommer. Aufbau-Verlag. Berlin 2002. Seite 61
5) Erwin Strittmatter. Der Wundertäter. Dritter Band. Aufbau-Verlag. Berlin 2019. Seite 9
6) Mit Düwelsheim ist Düsseldorf gemeint.
7) So wird Johannis Weißblatt von Stanislaus Büdner bezeichnet.
8) Annette Leo. Erwin Strittmatter. Die Biographie. Aufbau-Verlag. Berlin 2012. 447 Seiten.
Zur Biographie von Eva Strittmatter und Günter Drommer siehe Anm. 4
9) Siehe Anm. 3
10) Leo. Seite 209
11) Außer bei Rosa spielt Strittmatter auch mit der Namensgebung anderer Personen.
Büdner nannte man Besitzer eines Hauses, einer Bude, mit wenig Land. Büdner waren Kleinbürger am Rande des Existenzminimums. Das trifft für die Herkunft von Stanislaus und Erwin Strittmatter zu.
Der Name Melpo ist abgeleitet von Melpomene und bezeichnet in der griechischen Mythologie die Muse der tragischen Dichtung.

Theater muss sein

Die Neue Bühne Senftenberg zu Gast in unserem Museum mit dem Schauspiel:

GANZ ANDERS WER: ERWIN STRITTMATTER
(frei nach Motiven und Personen des Romans „Der Laden“ von Erwin Strittmatter)

Ein Leserbrief von Renate Brucke

Theater in Bohsdorf
Und das im doppelten Sinn: Theater der Neuen Bühne Senftenberg, gespielt auf dem Strittmatter – Gehöft, und „Theater“, weil im März-April nichts planbar war. Findet es statt? Wird es wegen der Corona-Pandemie verschoben? Als die ersten Techniker kamen, die ersten Proben liefen, nahm das Projekt Gestalt an und Hoffnung keimte auf. Letztendlich gab es ein Startsignal zu Pfingsten, leider nur für zehn Besucher pro Veranstaltung. Aber sie waren umso erfreuter, dass sie Karten erhalten hatten, denn die Nachfrage war enorm! Die bisher rund sechzig Besucher sind begeistert und kommen beseelt aus der letzten Szene. Sie schwärmen von „einem großen Wurf, der uns gelungen ist“, „von menschlicher Wärme des Stücks“, „ein Theater nur für uns beide, hautnah mit den Schauspielern“, „eine so zu Herzen gehende Theateraufführung nach langer (Corona)Pause“ oder „Wir haben die ganze Welt an einem Seerosenteich (wieder)entdeckt und sind mit Esau hineingekrochen in die Träume und Sehnsüchte“. Die Zusammenarbeit mit den Theaterverantwortlichen ermöglichte uns, einen tieferen Einblick hinter die Kulissen. Alle Schauspieler, Techniker und Angestellte verdienen Lob und Respekt für ihren unermüdlichen Einsatz, besonders vor den vier Jungen der Oberschule Schleife ziehen wir den Hut! Mit diesem Theaterprojekt verbanden wir von Anfang an die Hoffnung, unser Museum wieder in Erinnerung zu rufen und neues Interesse für die Literatur Erwin Strittmatters zu wecken. Auch ich las nach, wie war das mit Großvater Kulka und den Teichrosen aus der Nachtigallgeschichte „Wie ich meinen Großvater kennenlernte“. Und welche Rolle spielte eigentlich Großtante Maika im „Der Laden. Erster Teil“? Tatsächlich entdeckte auch ich längst Vergessenes von Neuem!

Sogar ein "Seerosenteich" wurde extra angelegt. In der Mitte der Schauspieler Michael Becker (Großvater Kulka) mit dem Regisseur Frank Düwel
Sogar ein „Seerosenteich“ wurde extra angelegt. In der Mitte der Schauspieler Michael Becker (Großvater Kulka) mit dem Regisseur Frank Düwel.
Die Großeltern Kulka – Sybille Böversen und Michael Becker
Das Theater-Team

Ausschreibung Kunstpreis Fotografie 2021

Lotto Brandenburg lobt Preisgelder in Höhe von 20.000 Euro aus

Die Ausschreibung richtet sich an Fotografinnen und Fotografen sowie bildende Künstlerinnen und Künstler mit Wohnsitz im Kulturraum Berlin-Brandenburg. Die eingereichten Arbeiten der Bewerbenden sind in ihrer künstlerischen Umsetzung an kein vorgegebenes Thema gebunden.
Vergeben wird ein Kunstpreis in Höhe von 10.000 Euro (nicht aufteilbar) sowie ein weiterer Kunstpreis in Höhe von 10.000 Euro oder zwei Förderpreise in Höhe von jeweils 5.000 Euro.
Die von der Fachjury ermittelten Gewinnerarbeiten werden gemeinsam in einer Ausstellung präsentiert.

Einsendeschluss ist der 24. März 2021.

Modalitäten
Die neuen ausführlichen Ausschreibungsmodalitäten und weitere Informationen zum Kunstpreis Fotografie finden Sie im Internet unter www.kunstpreis-fotografie.de. Bei Fragen erreichen Sie uns gern per E-Mail über kunstpreis@lotto-brandenburg.de und telefonisch unter +49 331 6456-622.
Folgen Sie dem Kunstpreis auch auf Facebook.

Mit freundlichen Grüßen
Antje Edelmann                     Kristin Lehmann

Modalitäten Kunstpreis 2021
Pressemitteikung_Ausschreibung-Kunstpreis-Fotografie-2021

Museumsnacht 2020

Günther Hornberger mit Julia Henke
Günther Hornberger mit Julia Henke
Foto: © Erwin-Strittmatter-Verein e. V.

Ein lauschiger Samstagabend, spätsommerliche Temperaturen und gut aufgelegte Musiker, die sich auf ein Wiedersehen und aufs Musizieren freuten.

Das Vereinsmitglied Günther Hornberger hatte seine Liederpoeten und  Sänger Julia Henke, Claudia Woloszyn, Christof Kluge und Bernd Pittkunings zum Konzert „gemischt“ nach Bohsdorf eingeladen, auch um die Attraktivität unseres Museums zu erhöhen. Während sie ihre Technik aufbauten, trafen die ersten Gäste ein – sie kamen weniger von nah, mehrheitlich von fern her und warfen noch schnell einen Blick ins Museum. Den aktuellen Hygiene-Bedingungen entsprechend, konnten unsere neuen Stühle und Tische weiträumig auf dem Hof aufgestellt werden.
In ihren Texten erzählen die Liedermacher  von Alltäglichem, zwischenmenschlichen Beziehungen und Begegnungen, Träumen und Wünschen, sie trugen sie mal spöttisch, mal heiter, auch melancholisch vor. Selbst kritisch politische Aussagen fehlten nicht.
Was uns Strittmatter-Freunden besonders gefallen haben mag, war, dass der in der Region gut bekannte Bernd Pittkunings in einem seiner Lieder auf die sorbisch sprechenden Großeltern Kulka und die Sprache seiner Kindheit einging:
„Les jo wuski, zaby lichotne su. … Der Wald is dichte. … Bloß ab und zu fliejt een Schtorsch vobei. Die Putterblum sin groade richtig uff die Wiese vatellt.“
Die kleine Schar der Anwesenden waren voll des Lobes über dieses Konzert, auch der kurz anwesende Landrat des Spree-Neiße-Kreises, Herr Altekrüger, fühlte sich sichtlich wohl.

Renate Brucke

Bernd Pittkunings
Bernd Pittkunings
Foto: © Erwin-Strittmatter-Verein e. V.

Eröffnung einer Fotoausstellung auf dem Strittmatterhof am 31.08.2020

Udo Weber (rechts) mit seinem Fotomodell
Udo Weber (rechts) mit seinem Fotomodell
Foto: © Erwin-Strittmatter-Verein e. V.

Am 31.08.2020 eröffnete unsere Vereinsvorsitzende Frau Brucke gemeinsam mit dem Potsdamer Fotografen Udo Weber und dem Liedermacher Günther Hornberger eine Fotoausstellung in der Scheune des Strittmatterhofes in Bohsdorf. Die Fotos, wie sie auch  auf dem Strittmatterhof entstanden sein könnten,  zeigen wunderschöne Details  aus einer längst vergangenen Zeit. Ganz in Sepiafarben getaucht sieht man etwa einen Ausschnitt aus einem alten Küchenbuffet oder das Fotomodell, selbst wie aus einer anderen Zeit, mit alter Fotografiertechnik.
Durch den Liedermacher und Freund des Fotografen Günther Hornberger, der drei Lieder aus seinem Repertoire vorstellte, wurden die Gäste musikalisch eingeladen und konnten anschließend die Fotoausstellung bewundern. Bei einem kleinen Imbiss gab es die Gelegenheit, mit dem Künstler und seinem Fotomodell über die Entstehung der Fotos zu philosophieren.
Ein Kalender, für den Udo Weber die schönsten Fotos ausgewählt hat, kann ab sofort im „Loaden“ erworben werden und bis zum Ende der Saison sind die Werke noch in der Scheune zu bestaunen.

Ines Lehmann

Die Tochter von Marga, der früh verstorbenen Schwester Erwin Strittmatters, übergab dem Verein den berühmten Schaukelstuhl aus der Laden-Trilogie.

Foto: © Erwin-Strittmatter-Verein e. V.

Seine schönste Lebenszeit verbrachte der Schaukelstuhl vielleicht, da er als Leihgabe bei uns in Bossdom verweilte. … Zänkereien und Kinderkriege brachen um ihn aus, und wir lernten durch ihn die Bedeutung des großen Uhrzeigers kennen: Fünf Minuten ich, fünf Minuten du. Schaukeln, schaukeln, sich wiegen und sich dabei zur tiefen Lebenslust hinträumen, aus der man entstanden war.

Freizeit- und Ferienmesse

Hans-Joachim Brucke, Annett Igel-Allzeit, Heidi Polzin, Renate Brucke und Michael Becker
Foto: © Erwin-Strittmatter-Verein e. V.

Bei der letzten Mitgliederversammlung im Juni 2019 schlug ein Mitglied dem Vorstand vor, bei der nächsten Messe in Cottbus teilzunehmen, um den Besucherrückgang in unserem Museum aufzuhalten und für uns zu werben.

Also wurden einige erfolgversprechende Aktionen vorbereitet: Neue Flyer, Visitenkarten und Stoffbeutel mit „Der Loaden“ von Jana Koall gedruckt, mit Annett Igel-Allzeit und Michael Becker das Eva-und-Erwin-Strittmatter-Programm reaktiviert, eine Fotoendlosschleife über die Vereinsgeschichte von Dr. Steffen Gnoth erstellt und Heidemarlen Polzin um Unterstützung gebeten. Mit Laden-Modell des Hermsdorfer Gymnasiums, meinen Aquarellen und Grafiken, DVDs, Büchern, Kugelschreibern bepackt, ging es los.
Besucherscharen bevölkerten die Messehallen, leider nur ganz wenige blieben an unserem Stand stehen. Drei Besucher wollten wissen, wann unser nächstes Hoffest sei … Der Versuch, für uns zu werben und Busunternehmen zu interessieren, ist vorsichtig formuliert, danebengegangen. Auch die Lesung war ein Desaster, denn die Atmosphäre in der Messehalle ist dafür überhaupt nicht geeignet.
Was kann unserem Museum noch weiterhelfen?

Renate Brucke 

Heidi Polzin
Foto: © Erwin-Strittmatter-Verein e. V.

Zum 90. Geburtstag Eva Strittmatters

Eva Strittmatter Foto: © Familie Strittmatter

Eva, von Erwin Strittmatter die LIEBLICHE genannt, wäre am 8. Februar 90 Jahre alt geworden.

Auch der Erwin-Strittmatter-Verein gedenkt diese Jubiläums, denn die erfolgreichste Lyrikerin der Gegenwart wird immer öfter in unsere literarischen Veranstaltungen einbezogen:

2014 Literaturcafé – von Hanni Dillan vorbereitet
2019 Literaturcafé mit dem Autor Klaus Trende
2015 & 2018 Lesung „Szenen einer Ehe“ Bohsdorf, Stolpen
2019 Lesung „Eine feine, feine Verwandtschaft“, Theaterscheune Cottbus

Das war nicht immer so. Obwohl sie der Vereinsgründung 1996 ihre Zustimmung gab, verfolgte sie seinen Werdegang mit kritischem Blick – sie befürchtete eine Kommerzialisierung Erwin Strittmatters im Laden-Museum. Dr. Schemel gelang eine Wiederannäherung und der Verein ernannte sie 2007 zu seinem Ehrenmitglied.
Als wir 2015 Strittmatter-Freunde aufriefen, sich unter dem Titel „Loadengeschichten“ in vielfältiger Weise zu den beiden Dichtern zu äußern, kamen mehr und mehr Zusendungen zu Eva Strittmatter und Schulzenhof, sodass in „Von Bohsdorf nach Schulzenhof – Auf den Spuren von Eva und Erwin Strittmatter“ umbenannt werden musste.
Ein berührendes Gedicht von Bärbel Thau aus Sonneberg sei hier zitiert:

Meine Freundin Eva
– durch dich fand ich die Spur in mir,
den Weg zu meiner Seele.
Verneig mich tief und danke dir.
– die Rose, die ich fand,
leg ich dir zu Füßen.
– sie soll dich im Seelenland
von meiner Seele grüßen.

So wie Bärbel Thau geht es vielen – aus Evas Gedichten schöpfen sie Kraft und Mut und sie sind ihnen längst Begleiter in bestimmten Lebenssituationen. Und noch ein Nebeneffekt: Sie finden auch Zugang zu Erwins Literatur.
Die Einladungen des jüngsten Sohnes Jakob nach Schulzenhof werden deshalb immer wieder gern angenommen.

Renate Brucke

 

Foto: © Erwin-Strittmatter-Verein e. V.

1. Ruprechtsfest auf dem Strittmatterhof

Foto: © Erwin-Strittmatter-Verein e. V.

Am 30.11.2019 lud der Erwin- Strittmatter- Verein zum ersten Ruprechtsfest auf den liebevoll geschmückten Strittmatterhof.

Überall leuchteten kleine Laternen, der Hof war erfüllt von weihnachtlicher Musik, herrlichen Gerüchen und den Gesprächen der vielen Gäste, die bei Glühwein, Bratwurst und leckerem Gebäck zusammensaßen. Sogar Apfelstrudel mit Eis und Sahne konnte man naschen.
Die Stände des kleinen Weihnachtsmarktes boten Angebote für jeden Geschmack und luden zum Bestaunen und Verweilen ein. Das Blumenhaus Rothermund hatte kunstvolle Adventsgestecke mitgebracht. Am Stand der Töpferei la terre konnte man kleine handgetöpferte Weihnachtsgeschenke erwerben und eine Bäckerei bot eine große Auswahl an phantasievollen Keksen und weihnachtlichem Gebäck zum Verkauf.
Feierlich eröffnet wurde das Fest mit weihnachtlichen Weisen des Chores des Erwin- Strittmatter- Gymnasiums aus Spremberg. Die Scheune war bis auf den letzten Platz gefüllt, die Gesichter der Kinder und Erwachsenen leuchteten gleichermaßen und viele sangen die bekannten Lieder mit.
Vor allem für die Kinder war die Scheune festlich geschmückt und vorbereitet. Sie konnten Basteln und Malen und am anheimelnden Kamin auf bereitgestellten Strohballen den weihnachtlichen Vorlesegeschichten lauschen. Nicht nur Strittmatters „Der Weihnachtsmann in der Lumpenkiste“ und „Ponyweihnacht“, sondern auch „Das Silberpferd steht im verschneiten Wald“ und „Neue Nachrichten vom Eis“ wurden von Heidemarlen Polzin, Nadine Gnoth und Sylvia Belka-Lorenz vorgelesen. Auch Willi Richter aus Weißwasser, uns bekannt durch seine Geschichte für „Alltag im Wort“, steuerte weihnachtliche Gedanken bei.
Draußen vor dem Tor lud eine Pferdekutsche die Kinder zu einer Spazierfahrt durch Bohsdorf ein.
Zu späterer Stunde kam sogar der Ruprecht vorbei. Er hatte in seinem großen Sack kleine Überraschungen für die Kinder mitgebracht. Er nahm sich viel Zeit und hatte für jedes Kind und auch für manche Eltern einen passenden Spruch.
Noch bis spät abends genossen die Gäste die besondere Atmosphäre auf dem Hof, Nachbarn hatten beim Glühwein Zeit für einen Plausch und die Kinder probierten an der Feuerschale, wie Stockbrot schmeckt. Auch die „berühmten“ Fettstullen machten abends noch die Runde.
Es war eine wundervoller Abend, der allen Gästen sehr gefallen hat und viele freuen sich schon auf die Wiederholung im nächsten Jahr.
Herzlich danken wir allen Mitwirkenden und den vielen fleißigen Helfern.
Mit diesem Fest verabschiedet der Erwin-Strittmatter-Verein das ereignisreiche und erfolgreiches Jahr 2019 und öffnet den Hof und seine „Loadentüre“ wieder Anfang April 2020.

Ines Lehmann

Foto: © Erwin-Strittmatter-Verein e. V.